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Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) – Auszug

In der Fassung vom 3. März 1998
(Nds.GVBl. 1998, S. 137), zuletzt geändert am 3. Mai 2023
(Nds. GVBl. 2023 S. 81)

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Erster Teil
Allgemeine Vorschriften

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§ 1
Geltungsbereich

( 1 ) Dieses Gesetz gilt für die öffentlichen Schulen und die Schulen in freier Trägerschaft (Privatschulen) im Land Niedersachsen.
( 2 ) Schulen sind alle auf Dauer eingerichteten Bildungsstätten, in denen unabhängig vom Wechsel der Lehrkräfte sowie der Schülerinnen und Schüler nach einem in sich geschlossenen Bildungsplan allgemein bildender oder berufsbildender Unterricht in einem nicht nur auf einzelne Kenntnisgebiete oder Fertigkeiten beschränkten Umfang für mindestens zwölf Schülerinnen oder Schüler und mindestens für die Dauer von sechs Monaten erteilt wird. Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Hochschulen und Berufsakademien sind keine Schulen im Sinne dieses Gesetzes.
( 3 ) Öffentliche Schulen im Sinne dieses Gesetzes sind die Schulen, deren Träger die Landkreise, die Gemeinden, die Samtgemeinden, die Zweckverbände, die öffentlich-rechtlich Verpflichteten in gemeindefreien Gebieten oder das Land sind. Sie sind nicht rechtsfähige Anstalten ihres Trägers und des Landes.
( 4 ) Schulen in freier Trägerschaft im Sinne dieses Gesetzes sind die Schulen, deren Träger entweder natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts oder Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften sind, die die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen. Ihre Rechtsverhältnisse bestimmen sich nach den Vorschriften des Elften Teils.
( 5 ) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf
  1. öffentliche Schulen, die mit Anstalten verbunden sind, die anderen Zwecken als denen öffentlicher Schulen dienen,
  2. Verwaltungsschulen und ähnliche Berufsausbildungsstätten besonderer Art,
  3. Schulen für andere als ärztliche Heilberufe und ähnliche Berufsausbildungsstätten besonderer Art.
Abweichend von Satz 1 Nrn. 1 und 3 ist dieses Gesetz anzuwenden auf die Berufsfachschule - Ergotherapie; auf die Berufsfachschule - Pharmazeutisch-technische Assistentin/Pharmazeutisch-technischer Assistent und auf die Pflegeschulen nach § 9 des Pflegeberufegesetzes (PflBG) vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581), zuletzt geändert durch Artikel 16 des Gesetzes vom 15. August 2019 (BGBl. I S. 1307).
Abweichend von Satz 1 kann die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in Schulen nach Satz 1 Nr. 3 entsprechend § 59 a Abs. 4 und 5 beschränkt werden.
( 6 ) Dieses Gesetz trifft in Ausführung des Pflegeberufegesetzes auch Regelungen für Einrichtungen zur Durchführung der praktischen Ausbildung nach § 7 PflBG.
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§ 2
Bildungsauftrag der Schule

( 1 ) Die Schule soll im Anschluss an die vorschulische Erziehung die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln. Erziehung und Unterricht müssen dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen; die Schule hat die Wertvorstellungen zu vermitteln, die diesen Verfassungen zugrunde liegen. Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden,
  • die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen,
  • nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten,
  • ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten,
  • den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere die Idee einer gemeinsamen Zukunft der europäischen Völker, zu erfassen und zu unterstützen und mit Menschen anderer Nationen und Kulturkreise zusammenzuleben,
  • ökonomische und ökologische Zusammenhänge zu erfassen,
  • für die Erhaltung der Umwelt Verantwortung zu tragen und gesundheitsbewusst zu leben,
  • Konflikte vernunftsgemäß zu lösen, aber auch Konflikte zu ertragen,
  • sich umfassend zu informieren und die Informationen kritisch zu nutzen,
  • ihre Wahrnehmungs- und Empfindungsmöglichkeiten sowie ihre Ausdrucksmöglichkeiten unter Einschluss der bedeutsamen jeweiligen regionalen Ausformung des Niederdeutschen oder des Friesischen zu entfalten,
  • sich im Berufsleben zu behaupten und das soziale Leben verantwortlich mitzugestalten.
Die Schule hat den Schülerinnen und Schülern die dafür erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Dabei sind die Bereitschaft und Fähigkeit zu fördern, für sich allein wie auch gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen zu erzielen. Die Schülerinnen und Schüler sollen zunehmend selbstständiger werden und lernen, ihre Fähigkeiten auch nach Beendigung der Schulzeit weiterzuentwickeln.
( 2 ) Die Schule soll Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern den Erfahrungsraum und die Gestaltungsfreiheit bieten, die zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich sind.
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§ 3
Freiheit des Bekenntnisses und der Weltanschauung

( 1 ) Die öffentlichen Schulen sind grundsätzlich Schulen für Schülerinnen und Schüler aller Bekenntnisse und Weltanschauungen.
( 2 ) In den öffentlichen Schulen werden die Schülerinnen und Schüler ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung gemeinsam erzogen und unterrichtet. In Erziehung und Unterricht ist die Freiheit zum Bekennen religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zu achten und auf die Empfindungen Andersdenkender Rücksicht zu nehmen.
( 3 ) Die abweichenden Vorschriften des Zehnten Teils bleiben unberührt.
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Neunter Teil
Religionsunterricht, Unterricht Werte und Normen

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§ 124
Religionsunterricht

( 1 ) Der Religionsunterricht ist an den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach. Für mindestens zwölf Schülerinnen oder Schüler desselben Bekenntnisses ist an einer Schule Religionsunterricht einzurichten.
( 2 ) Über die Teilnahme am Religionsunterricht bestimmen die Erziehungsberechtigten. Nach der Vollendung des 14. Lebensjahres steht dieses Recht den Schülerinnen und Schülern zu. Die Nichtteilnahme am Religionsunterricht ist der Schulleitung schriftlich zu erklären.
( 3 ) Für Fachschulen für sozialpädagogische , heilpädagogische oder heilerziehungspflegerische Berufe gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend; an den übrigen Fachschulen sollen Arbeitsgemeinschaften im Fach Religion eingerichtet werden, wenn sich zu ihnen mindestens zwölf Schülerinnen oder Schüler eines Bekenntnisses anmelden.
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§ 125
Mitwirkung der Religionsgemeinschaften am Religionsunterricht

Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Die Schulbehörden erlassen die Richtlinien und genehmigen die Lehrbücher im Einvernehmen mit den Religionsgemeinschaften.
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§ 126
Einsichtnahme in den Religionsunterricht

Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts haben die Religionsgemeinschaften das Recht, sich davon zu überzeugen, ob der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen erteilt wird. Die näheren Umstände der Einsichtnahme sind vorher mit den staatlichen Schulbehörden abzustimmen. Die Religionsgemeinschaften können als Beauftragte für die Einsichtnahme Religionspädagoginnen oder Religionspädagogen an Hochschulen oder geeignete Beamtinnen oder Beamte des staatlichen Schuldienstes oder im Einvernehmen mit der Schulbehörde auch andere erfahrene Pädagoginnen oder Pädagogen bestellen; soweit die Religionsgemeinschaften von diesem Recht keinen Gebrauch machen, können sie bei Zweifeln, ob in bestimmten Einzelfällen der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit ihren Grundsätzen erteilt wird, durch eine Sachverständige oder einen Sachverständigen ihrer Oberbehörde, die oder der im Einvernehmen mit der Schulbehörde zu bestellen ist, Einsicht nehmen.
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§ 127
Verpflichtung zur Erteilung von Religionsunterricht

( 1 ) Keine Lehrkraft ist verpflichtet, Religionsunterricht zu erteilen oder die Leitung von Arbeitsgemeinschaften im Fach Religion an Fachschulen zu übernehmen.
( 2 ) Bei der Erteilung von Religionsunterricht dürfen Lehrkräfte in ihrem Erscheinungsbild ihre religiöse Überzeugung ausdrücken.
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§ 128
Unterricht Werte und Normen

( 1 ) Wer nicht am Religionsunterricht teilnimmt, ist stattdessen zur Teilnahme am Unterricht Werte und Normen verpflichtet, wenn die Schule diesen Unterricht eingerichtet hat. Für diejenigen, für die Religionsunterricht ihrer Religionsgemeinschaft als ordentliches Lehrfach eingeführt ist, entsteht die Verpflichtung nach Satz 1 erst nach Ablauf eines Schuljahres, in dem Religionsunterricht nicht erteilt worden ist. Die Schule hat den Unterricht Werte und Normen als ordentliches Lehrfach vom 5. Schuljahr an einzurichten, wenn mindestens zwölf Schülerinnen oder Schüler zur Teilnahme verpflichtet sind. In der gymnasialen Oberstufe, im Beruflichen Gymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg kann die Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht Werte und Normen auch durch die Teilnahme am Unterricht im Fach Philosophie erfüllt werden, wenn die Schule diesen Unterricht eingerichtet.
( 2 ) Im Fach Werte und Normen sind religionskundliche Kenntnisse, das Verständnis für die in der Gesellschaft wirksamen Wertvorstellungen und Normen und der Zugang zu philosophischen, weltanschaulichen und religiösen Fragen zu vermitteln.
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Dreizehnter Teil
Übergangs- und Schlussvorschriften

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Zweiter Abschnitt
Übergangsvorschriften

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§ 190
Werte und Normen

Das Fach Werte und Normen (§ 128) ist als Prüfungsfach in der gymnasialen Oberstufe, im Beruflichen Gymnasium, im Abendgymnasium und im Kolleg einzurichten, sobald hierfür die erforderlichen Unterrichtsangebote entwickelt sind und geeignete Lehrkräfte zur Verfügung stehen.
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§ 191
Evangelische Schulen in freier Trägerschaft

Für zwei anerkannte Ersatzschulen, die von den evangelischen Landeskirchen zu benennen sind, wird Finanzhilfe abweichend von § 149 Abs. 1 bereits vom Zeitpunkt der Genehmigung an gewährt.